• Antikörper; Kappa freie Leichtketten im Liquor für die Diagnose der Multiplen Sklerose

Kappa-freie Leichtketten im Liquor für die Diagnose der Multiplen Sklerose

Als neuer Biomarker für die frühe Prognose des individuellen Krankheitsverlaufs bei Multipler Sklerose (MS) wurde ein Protein, die sogenannten κappa-freien Leichtketten (κ-FLC) im Liquor, der sogenannten Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, identifiziert. Der kappa-Typ der FLC, die vorwiegend als Monomer (22 kDa) im Blut und Liquor zirkulieren, werden von Plasmazellen des Immunsystems im Überschuss gebildet und als FLC sekretiert.

Bisher werden die liquorspezifischen, oligoklonalen Banden (OKB) bei MS aufgrund intrathekaler Immunglogulin G (IgG)-Synthese nachgewiesen. Die OKB als Goldstandard haben eine hohe diagnostische Sensitivität und sind Bestandteil der McDonald-Kriterien 2017 für die leitliniengerechte Diagnose einer schubförmigen MS. Nachteilig sind die aufwendige Bestimmung, ein qualitatives Ergebnis und die Abhängigkeit vom Gutachter. Die intrathekale Synthese von κ-FLC ist dagegen schnell, einfach, kosteneffektiv, liefert quantitative Ergebnisse, ist unabhängig vom Prüfer und hat eine vergleichbar hohe diagnostische Sensitivität von > 90% wie der Nachweis liquorspezifischer OKB.

In einer Studie der Medizinischen Universität Innsbruck (Berek at al., 2021) wurde der κ-FLC Index  als unabhängiger Marker bestätigt, berechnet aus dem Liquor/Serum-Quotienten unter Bezugnahme auf Albumin Liquor/Serum-Quotienten (QKFLC/QAlb). Bei PatientInnen mit einem hohen κ-FLC Index (über 100) betrug die Zeit bis zum zweiten Schub im Schnitt lediglich 11 Monate, bei PatientInnen mit einem niedrigen κ-FLC Index (100 oder weniger) trat ein zweiter Schub durchschnittlich erst nach 36 Monaten auf. Dieser neue Entzündungsmarker prognostiziert eine frühe MS Krankheitsaktivität und ermöglicht eine individualisierte Behandlung.

Die Kombination der Biomarker κ-FLC und Serum Neurofilament Light (sNfL) als Marker für neuroaxonale Schädigungen erlaubt eine noch differenziertere Risikoeinschätzung für die frühe MS Krankheitsaktivität. Die Ergebnisse der Innsbrucker Kohorten-Studie (Hegen et al., 2023) zeigen, dass bei hohen Werten für den κ-FLC-Index und den sNfL-Z-Score mit einer 98%-igen Wahrscheinlichkeit der nächste Schub innerhalb eines Jahres zu erwarten ist, während bei normalen Werten für beide Biomarker ein Schub innerhalb der nächsten zwölf Monate unwahrscheinlich ist. κ-FLC werden bei etwa 90% der MS-Patienten intrathekal gebildet. Weitere Studien sind erforderlich, um den additiven prognostischen Wert des κ-FLC-Indexes und des sNfL-Z-Scores und ihren unabhängigen Status voneinander zu bestätigen.

Derzeit wird in den Fachkreisen die Aufnahme  des Biomarkers κ-FLC in die Leitlinien für die Diagnose einer MS diskutiert. Hegen et al. (2023) beziehen einen klaren Standpunkt über die Aufnahme der Bestimmung intrathekaler κ-FLC-Synthese in die nächste Revision der MS Diagnose-Kriterien als zusätzliches Tool für die Messung intrathekaler Immunglobulin-Synthese. Die aussagekräftigste Analyse bei MS, obwohl nicht krankheitsspezifisch, ist die Bewertung der intrathekalen Immunglobulin-Synthese, entweder durch den qualitativen Nachweis einer Liquor-spezifischen IgG-Fraktion (mittels IEF und anschließender Immunodetektion) oder einer quantitativen Liquor-spezifischen κ-FLC-Fraktion (mittels Nephelometrie oder Turbidimetrie). OKB sollten bei grenzwertiger κ-FLC-Synthese zur weiteren Klärung herangezogen werden und umgekehrt. Die Kombination beider Teste scheint im Moment die beste Option zu sein. Neurologen müssen die Ergebnisse aller im Rahmen des Liquor-Panels durchgeführten Teste (z. B. Leukozytenzahl, Differenzialzellprofil, Albuminquotient, intrathekale Ig-Synthese, Liquor/Serum-Glukose-Verhältnis oder Liquor-Laktat) berücksichtigen, die im Zusammenhang mit den klinischen und bildgebenden Befunden interpretiert werden sollten.

Die MS ist eine der häufigsten, chronisch-entzündlichen, neurologischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems im jungen Erwachsenenalter, die zu bleibenden Behinderungen führen kann. Eine schnelle und zuverlässige Diagnose ist entscheidend für das klinische Management der Patienten, da krankheitsmodifizierende Therapien im Frühstadium der Autoimmunkrankheit am effektivsten sind. Eine frühe Prognose ermöglicht eine personalisierte Therapie. 

Literaturverzeichnis:

Kappa-Free Light Chains in CSF Predict Early Multiple Sclerosis Disease Activity. Klaus Berek et al. Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm 2021;8:e1005 / https://doi.org/10.1212/NXI.0000000000001005
Kappa free light chain and neurofilament light independently predict early multiple sclerosis disease activity—a cohort study. Harald Hegen et al. eBioMedicine, Published: April 20, 2023, VOLUME 91, 104573, MAY 2023 / https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2023.104573
Cerebrospinal fluid kappa free light chains for the diagnosis of multiple sclerosis: A consensus statement. Harald Hegen et al. Mult Scler. 2023 Feb;29(2):182-195 / https://doi.org/10.1177/1352458522113421
https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-141l_S1_Lumbalpunktion_und_Liquordiagnostik_2020-01.pdf
https://www.neurologienetz.de/fachliches/erkrankungen/entzuendliche-erkrankungen-des-zns/multiple-sklerose/diagnosekriterien-nach-mcdonald
https://www.labor-gaertner.de/fileadmin/user_upload/Ravensburg_Gaertner/LaborAktuell_kappaFLC_LMD1026R-11.2020-V2.pdf</a

2024-06-17T10:41:23+02:00Juni 17th, 2024|Kategorien: CSF & Oligoklonale Banden Kontrollen, Klinische Chemie, Latest Publications, Qualitätskontrolle|Tags: , , , , , |Kommentare deaktiviert für Kappa-freie Leichtketten im Liquor für die Diagnose der Multiplen Sklerose

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